Bis 1986 kannte ich den Begriff „Einschlafschwierigkeiten bei Vollmond“ nur vom Hörensagen. Das änderte sich in der Juni-Vollmond-Nacht dieses Jahres.
Ein übergroßer orangefarbener Tropenmond erstrahlte am Nachthimmel und ließ mich trotz zugezogener Vorhänge nicht einschlafen. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere und rückte auch aus dem Licht zur Wand, aber es half alles nichts. Schließlich stand ich auf und schob den Vorhang zur Seite. Das ganze Zimmer war hell erleuchtet und die Strahlen fielen durch die geschlossene Balkontür direkt auf mein Bett.
„Warum wehrst du dich gegen meine Kraft? Lass deine Angst endlich los.“ Die Worte klangen sanft und beruhigend. An Schlaf war jetzt schon gar nicht mehr zu denken. Das Kinderlied „Guter Mond, du gehst so stille,...“ fiel mir ein und ich überlegte, warum unser Erdtrabant einen männlichen Artikel hat, die Stimme aber weiblich klang.
„Erinnere dich daran, dass es in den alten Kulturen nur weibliche Mondgöttinnen gab!" Das war eindeutig wieder dieselbe Stimme, sie hatte offenbar meine Gedanken gelesen.
Ich stand nochmals auf und öffnete die Balkontür völlig, um das Mondlicht ungehindert auf mein Bett scheinen zu lassen. Dann zog ich mein Nachthemd aus, legte mich ins Mondlicht und wartete.
Eigenartige Schauer erfassten meinen Körper und ließen mich erzittern, obwohl mir nicht kalt war. Jetzt stieg doch leise Angst in mir hoch.
„Du wehrst dich nicht nur gegen mich, Mädchen! Du wehrst dich gegen deine Gefühle! Lass los und lerne dich hinzugeben! Ergib dich einfach und hör auf zu kämpfen!“ Beruhigend, fast liebevoll klang dieselbe Stimme.
„Also gut! Ich überlasse mich deiner Kraft, tu mit mir was du willst, aber laß mich endlich! einschlafen“
Langsam ebbten die Schauer ab und ich fühlte ich mich vom Mondlicht, wie von einer liebenden Mutter, umarmt. Der letzte Blick auf die Uhr zeigte, dass es mittlerweile vier Uhr morgens geworden war und ich überlegte, wie ich in zwei Stunden Schlaf wieder fit sein sollte und ob ich den Wecker überhaupt hören würde. Wider Erwarten erwachte ich durch das Klingeln des Weckers und war gut erholt und voll Kraft. - Seit diesem Erlebnis nenne ich unseren Erdtrabanten „Mondin“.
1990, nach dem Tod meines Mannes, wurde die Mondin zur treuen Begleiterin meiner einsamen Nächte. Sie erfreute meine Augen und damit mein Herz vor allem als „Junge Mondin“ (kurz nach Neumond). Ich freut mich auch sie zu sehen, wenn ich sie am Tag in ihrem hauchzarten Kleid vor dem Blauhimmelmann sah.
Es gab viele bewusst erlebte Kontakte und in meinem Wochenendhaus habe ich sogar einige Nächte lang im Freien im Mondlicht geschlafen, um mit Hilfe der Mondin zu lernen mich auch dem Leben als Witwe hinzugeben.
Eines Abends, es war im ersten Winter 1990, kam ich mir am Attersee wieder einmal unsagbar arm und verlassen vor.
Es half mir weder, dass ich inzwischen gelernt hatte, das Leben mit anderen Augen zu sehen, wie es mich die alten Bäume gelehrt hatten, noch wie das Wasser zu reagieren und durchlässig und weich zu werden. Ich fühlte mich einfach nur bedauernswert und mein Kummer war grenzenlos.
Irgendetwas zog mich zum Fenster.
Ich sah hinaus und erblickte die Mondin als Vollmond hell und strahlend im Nachthimmel. Der Anblick lenkte mich kurzfristig von meinem Kummer ab und ich ging vor die Tür. Ich blickte in einen glitzernden Sternenhimmel, der sich unendlich weit über mir wölbte und das Gefühl der Einsamkeit verstärkte. Einzig der große Vollmond über dem See erschien mir erreichbar und bannte meinen Blick.
Mir kam vor, als würde ich die Mondin an diesem Abend zum ersten Mal wahrnehmen.
„Hallo Mondin! Du hasst es gut, du brauchst dich nur um dich zu drehen und darauf achten, dass du dich nicht zu weit von Mutter Erde und dem Sonnenvater entfernst, damit du keinen Schaden nimmt. Ich weiß nicht weiter. Ich fühl’ mich so allein und verlassen. Bitte, hilf mir!“
„Hör auf zu jammern! Komm rauf und schau dir deine Situation aus meiner Sicht an!“ Kühl und distanziert klangen die Worte, völlig ohne jegliche Anteilnahme an meinem Kummer. Nur ein leises Lächeln schwang in den Worten mit. Verstört ging ich wieder ins Haus zurück.
Ich begann zu überlegen, ob die Mondin mir durch die Worte und die Kälte ihrer Stimme sagen wollte, dass ich zu sehr in meiner Beschränktheit verhaftet war. Und nach einiger Zeit wirkte das leise Lächeln hinter den Worten und ich musste ihr schließlich recht geben. Jammern half mir ja nicht weiter! Ich war aber doch auch der Meinung, dass sie ein bisschen mitfühlender hätte reagieren können.
Langsam lernte ich dann Situationen nicht nur anders zu sehen, sondern auch aus der Distanz zu betrachten, und ich bekam das Gefühl für eine noch innigere Verbundenheit zum Wesen der Mondin.
Jahrelang gab es dann kein direktes Gespräch mehr. Ich freute mich aber immer wieder sie zu sehen und schickte ihr einen innigen Gruß.
Die Verbundenheit war in den folgenden Jahren so stark geworden, dass ich sie oft nicht mehr bewusst sah, sondern nur vermisste, wenn ich sie länger nicht „sah“. Manchmal schimpfte ich sie dann auch, und fragte, wo sie sich wieder herumgetrieben hatte. - Und sie ließ mich vor mich hinschimpfen.
Als ich dann 1999 begann schamanisch zu reisen, gab mir „Die mit der Erde spricht“ den Namen „Die Mondfrau, die mit der Mondin spricht“ und ich wunderte mich damals (am Anfang) sehr, dass mich kurz darauf auch mein spiritueller Heiler so anredete.
Dina