Initiationsritual-
ein schamanisches Erlebnis in der Tiroler Bergwelt-
und die Begegnung mit einem Inuit- Schamanen.
Meine erste Einweihung in den Schamanismus bekam ich in einem leeren Raum der Absamer "Herrenhäuser", einem riesigen Gebäude das früher ein Knappenhaus für den Salz-Abbau war, auf 1700 Metern Höhe in den Bergen Tirols.
Ich wusste nicht, was Schamanismus ist, ich war der Ersatz für eine Freundin, die aus Krankheitsgründen nicht auf dieses Seminar fahren konnte- und sie meinte, mich würde das sicherlich interessieren, und ich solle doch an ihrer Stelle fahren.
Ich fuhr also mit einer geliehenen Trommel, einem Schlafsack und einem großen Rucksack bepackt mit dem Zug 4 Stunden nach Tirol, wurde dort von zwei fremden Männern auf einen Berg gebracht, 30 Minuten mit dem Auto, dann 30 Minuten Fußweg- steil bergauf- ich keuchte wie eine Dampflok und war überwältigt von der wunderbaren Natur.
Mir war klar, dass es ein "ZU- FALL" war, ich interessierte mich seit Jahren für Indianer, hatte aber kaum Ahnung von ihrer Spiritualität- ich war damals 21 und hatte gerade mein zweites Kind bekommen, war frisch verheiratet und gerade ins Haus der Schwiegereltern eingezogen, umgezogen in ein anderes Bundesland und kreuzunglücklich, fühlte mich gefangen in Haushalt und Alltag, hatte Heimweh und sehnte mich nach meinen Großeltern und den Bergen des Ötschers, wo ich geboren bin.
Oben bei den Herrenhäusern angekommen konnte ich kurz auspacken und verschnaufen, dann wurde ich in ein Zimmer gebracht.
Es roch nach verbranntem Salbei, am Boden eine Decke, Trommeln, Räucherschale, Adlerfeder, Kristalle, Lederbeutel.
Georg, der Seminarleiter, der seine Einweihungen in Equador bei den Shuar- Indianern erhielt, begann ein Lied zu pfeifen und rasselte in jeder Himmelsrichtung, erklärte mir kurz und bündig, was ich nun tun müsste, und begann mit dem zweiten Mann- dessen Namen ich vergessen habe- monoton zu trommeln.
Ich lag am Boden, hatte ein Tuch über die Augen gelegt bekommen, und sie trommelten laut und schnell.
Ich sollte mir einen Tunnel vorstellen, der mich in die untere Welt führen würde- und da würde ich mein Krafttier treffen.
Es dauerte nur etwa 2 Sekunden, ich betrat den Tunnel, sah den Weg nach unten, ging runter, rutschte hinunter, und landete im glühenden Inneren eines Vulkanes. Eine orange- rot glühende Höhle rund um mich.
Während ich noch überlegte, was ich jetzt tun sollte, flog laut krächzend ein riesiger schwarzer Rabe
so dicht über meinen Kopf hinweg, dass ich seinen Flügelschlag spüren konnte. Es ertönte ein langgezogenes Krächzen, und er kreiste immer wieder über meinen Kopf hinweg und starrte mich aus seinen abgrundtief schwarzen Augen an.
Ich bekam Gänsehaut. Das war kein Traum, das war keine Einbildung, es war total REAL, nur dass es sich im Inneren abspielte. War ich in Trance? Nein, denn ich hörte doch die Trommeln noch immer, ich roch den Salbei noch immer, ich wusste klar und deutlich, dass ich am Boden eines Raumes in Tirol lag.
Die Trommler wechselten den Rhythmus, vier Schläge- für jede Himmelsrichtung einen.
Dann immer schnelleres Getrommle, ich fetzte durch den Tunnel zurück in die Alltägliche Wirklichkeit.
Ich fühlte meinen Körper wieder. Das Trommeln hörte auf- und ich hatte meine erste Geistreise gemacht, mein Krafttier gefunden.
Am nächsten Tag um 5.00 Uhr Morgens wurde ich von einem seltsamen Geräusch geweckt, das von draußen kam.
Ich wickelte mich in eine Decke und ging raus und sah auf dem Baum direkt vor dem Haus ein Rabenpaar, das fröhlich herumhüpfte. Nie zuvor hatte ich echte Kolkraben gesehen.
An der Hausmauer saß Georg, ebenfalls in eine Decke eingewickelt, und drehte sich eine Zigarette.
Ich grinste. Er grinste.
Es war toll.
Einen Tag später.
Ein richtiges Initiations- Ritual, die Zerstückelung in der Geistwelt. Ich sterbe mein normales Leben und werde als schamanisch denkender Mensch wiedergeboren. Ich sollte zerstückelt werden von meinem geistigen Lehrer in der oberen Welt dieses Mal. Mein Krafttier würde mich hinbringen.
Ich lag wieder auf dem Boden. Wieder Salbei- Geruch und monotones Trommeln. Ich schloss die Augen und sah wieder den Tunnel. Wieder rutschte ich den Gang nach unten, suchte mein Krafttier.
Die Höhle war Asche und grau. Kein orange- rotes pulsierendes Vulkan- Getöse.
Kein Rabe. Ich suchte einen Ausgang aus der Höhle- ging dort hin, wo das Licht her kam und betrat eine Sommerwiese. Und da saß er- der Rabe- und schaute mich neugierig an, flog auf meine Schulter und
"schnäbelte" mit mir.
Ich bat ihn, mich in die obere Welt zum Lehrer zu bringen. Der Rabe flog mit mir aus dem Tunnel hinaus, und vor dem Tunnel zeigte er mir eine große Tanne. Daran sollte ich hoch klettern.
Ich kletterte auf die Tanne, bis ich oben am Wipfel saß und einen Überblick über die Geistwelt hatte. Ober mir der Himmel und die Wolken, unter mir der Eingang zum Tunnel. Und darunter die untere Welt mit Krafttieren, Totemtieren, Kraftplätzen und vielen unerforschten Gebieten, die ich in den folgenden Jahren nach und nach besuchte.
Ich saß also auf dem Wipfel dieser Tanne und plötzlich verdunkelte sich der Himmel und ein großes Birkhuhn flog auf mich zu, packte meinen Kopf und flog mit mir durch die Wolkendecke. Plötzlich unter mir ein riesiges Nest, in das mich das Huhn fallen ließ.
Das Huhn setzte sich auf das Nest und es wurde dunkel und heiß. Unerträglich heiß. Ich begann zu schwitzen und bekam Atemnot.
Zuerst dachte ich daran, dass meine "Zerstückelung" ein "erschwitzen" werden würde. Doch dann sah ich voller Entsetzen aus den Ästen des Nestes eine große Spinne auf mich zu krabbeln.
Sie rollte mich mit ihren Beinen herum, wickelte mich ein in ihr Spinnennetz, und begann dann, mich zu beißen und auszusaugen.
Irgendwann fühlte ich mich, wie ein leerer Sack. Ich war kraftlos, hatte weder Blut noch Wasser in meinem Körper, als bestünde ich nur noch aus Haut und Knochen.
Ich empfand den ganzen Prozess des aussaugens weder als schmerzhaft noch als unangenehm, es war ein angenehmes, beruhigendes Gefühl. Als hätte sie alle negativen Dinge aus mir heraus gesaugt.
Danach fühlte ich mich wieder wie rundum- erneuert, das Huhn packte mich und flog mit mir zurück zur Tanne, wo der Rabe bereits wieder auf mich wartete.
Dann hörte ich wieder das Trommel- Signal und die Reise war beendet.
Danach arbeitete ich jahrelang schamanisch, hatte aber weder einen offiziellen Kurs von der "Foundation of shamanic Studies in Wien" besucht, noch sonst irgendetwas in der Hand, das mich ermächtigte, offiziell schamanisch zu arbeiten.
Aber ich hatte seit etwa 10 Jahren Kontakt zu einer Ojibwe- Cree- Indianerin namens Nijanani Novalinga, die mit einem Eskimo- Schamanen in Canada lebte.
Ihr Mann heißt Augiak Novalinga und ist geboren in der Hudson Bay in Alaska. Er ist Geschichtenerzähler, Specksstein- Schnitzer und Schamane.
Als ich ihr von meiner Arbeit erzählte, entschloss sie sich dazu, mich mit ihrem Mann zu besuchen.
Sie kam 1999 zu mir nach Österreich. Zuerst war es ein normaler Besuch mit Ausflügen zu sehenswerten Plätzen, wir redeten, lachten, sangen Lieder, berichteten uns über Neuigkeiten.
Dann fragte sie mich, ob ich einen Kraftplatz kennen würde, und ich erzählte den Beiden von der Schaunburg in Eferding - Oberösterreich.
Eine riesige Ruine auf einem Berg.
Wir fuhren dort hin, und stellten uns in die Mitte des Burghofes. Plötzlich nahmen mich die beiden an den Händen, wir standen im Kreis und sie begannen in ihrer Sprache Lieder zu singen und zu beten.
Ich war total gerührt, hatte Tränen in den Augen, verstand zwar kein Wort, spürte aber wieder die Gänsehaut, die über meinen Rücken kroch.
Augiak holte aus seiner Tasche einen Sweetgrass- Zopf, geflochtenes Gras, das süßlich duftete.
Mit Streichhölzern wurde der Zopf angezunden, ein Stück brannte ab und verbreitete seinen Duft. Dann nahm Nijanani meine Hand, und bröselte etwas vom abgebrannten Gras in meine Handfläche und verrieb es dort.
Sie erklärte mir, dass der Rauch heilig wäre und die Gedanken zum großen Geist lenken würde, deshalb müsste ich aufpassen, was ich denke.
Während sie meine Handfläche schwarz färbte sagte sie: "Das besiegelt Deine Gedanken".
Augiak griff wieder in eine seiner Taschen und holte einen kleinen Gegenstand heraus. Er begann in seiner Sprache zu beten, und nachdem er fertig war legte er mir den Gegenstand in meine schwarze Handfläche.
Es war eine Schwarzbärenkralle an einem Lederband.
Er schaute mir in die Augen, nahm mich an den Händen und sagte: "You are a Shaman!"
Ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, dass sie diese Zeremonie für mich gemacht hatten, daß sie extra deswegen aus Canada gekommen waren.
Ich umarmte beide mit Tränen in den Augen und bedankte mich.
Dann fragte mich Augiak, ob ich eine Zigarette hätte. Ich wunderte mich, da ich wusste, dass er Nichtraucher war.
Ich holte also meine Zigaretten hervor und gab ihm eine davon.
Er nahm die Zigarette und brach sie auseinander, verteilte den Tabak am Platz auf dem wir standen, sprach einige Worte in seiner Sprache, gab mir dann den Filter zurück.
Ich schaute wohl so verblüfft, dass beide anfingen zu lachen.
Seither besuchen mich beide einmal im Jahr, wir haben auch weiterhin brieflichen Kontakt und ich lerne viel über ihre Geschichten und Legenden, ihre Spiritualität und den Alltag der Eingeborenen in Amerika und Canada.
Ich habe nie wieder aufgehört, schamanisch zu arbeiten, und bin sogar sicher, dass es unmöglich ist, dieses Leben einfach aufzuhören oder anderes weiter zu leben.
Wer sich entschlossen hat, schamanisch zu leben, der ist ein Bündnis mit der Geistwelt eingegangen.
"Die Geister kommen zu uns, weil wir es für möglich halten" sagte ein mongolischer Schamane zu mir.
SEDNA
Die Reise
erstarrte realität bedauern
graue tage trauern
monotoner trommelschlag
das tor durchschreiten mag
öffnet sich der anderen welt
versinkt im traum und tiefer fällt
gehirngespinst und visionen gleich
voll bewußt die wirklichkeit
verschmelzen mit den tieren
sich fliegend verlieren
wesen der weisheit zart
geheimste wünsche offenbart
schwimmend durch gewässer
schon geht es mir besser
tanke energie an der quelle der kraft
stärkt wichtigen lebenssaft
glücksgefühl wie spinnen- netz
meinen körper besetzt
rede mit tieren und bergen
muß nichts und niemand verbergen
ziehend am linken ärmel ich spüre
zurück soll ich zur türe
gestärkt der abschied von den begleitern
auf den trommelschlägen reiten
blendend weißes licht
das tor öffnet sich
der tunnel spuckt mich aus
öffne die augen
wieder zu haus
Sedna
als sich erkenntnis in meinem bewusstsein ausbreitete,
wuchsen fische und meeressäuger aus meinen abgeschnittenen fingern, ich wurde zu nahrung, wurde SIE, die für ihre gemeinschaft sorgt, nicht länger opfer.
(aus der legende von sedna)