Willst Du Deinen Wald vernichten, dann setze nur mehr Fichten.
Na ganz so streng wollen wir Waldviertler das nicht so sehen, aber es ist schon was Wahres dran. Seit etwa 2 Jahrhunderten wird Mitteleuropa in allen Höhenlagen und ungeachtet der örtlichen Verhältnisse von einer regelrechten Invasion der Fichte (picea abies) heimgesucht. Als äusserst produktiver Holzlieferant steht die Fichte in enger Wechselbeziehung zu dem Holzmangel, der in Europa schon früh gravierende Ausmasse annahm. Bereits im antiken Griechenland und Rom hatte aufgrund rücksichtsloser Ausbeutung massive Holzknappheit geherrscht. Bei uns im Waldviertel waren es bis in unser Jahrhundert die Glashütten, Köhler und Kalkbrenner die jede Menge Holz verarbeiteten. Die Kotteser z.B. mussten ihr Holz sogar aus Bärnkopf, vom Weinsberger Wald beziehen
Das ausgehende 18. Jahrhundert, das in Waldlehrbüchern als „Geburtsstunde der eigentlichen Forstwirtschaft“ bezeichnet wird, war zugleich die grosse Stunde der anspruchslosen Fichte. Als Pionier auf Magerweiden und Waldlichtungen ist sie auf verarmten und verdichteten Böden jedem Laubbaum überlegen. Auch Feuchtigkeit macht ihr nichts aus. Na und dann, der gerade Wuchs! Eine Freude für jeden holzverarbeitenden Betrieb. Der Schweizer Waldexperte Christian Küchli formuliert es treffend so: „Der Baum muss auf den ordnungsliebenden Menschen schon immer einen guten Eindruck gemacht haben: Mit gerader Stammachse und klarem Verzweigungsmuster unterscheidet sich die Fichte schon von frühester Jugend von den bengelhaften Eichen, Ulmen oder Linden. Mit dem sauberen Bild der Fichtenaufforstung lässt sich einer zweifelnden Bevölkerung vorgaukeln, dass sich die kahlen Flächen auch wieder bewalden lassen“. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint, dass die englische Vokabel „spruce“ einerseits Fichte bezw. Fichtenholz bedeutet, andererseits „sauber“ oder „adrett“.
Der im 19. Jahrhundert aufgestellte Grundsatz der „Reinertragslehre“, möglichst viel Geld aus dem Wald herauszuschlagen, da die Fichte 2mal mehr Holzmasse wie die Buche und sogar den 3fachen Ertrag an Möbelholz liefert, ist längst nicht mehr gültig. In reinen Fichtenbeständen versauert der Boden durch Anhäufung saurer Nadelstreu. Solche Monokulturen sind für die häufigsten tierischen Schädlinge der Fichte, besonders anfällig. Fichtengallenläuse, Borkenkäfer und die Rotfäule richten erheblich mehr Schaden an als im Mischbestand, und wegen der Flachwurzel des Baumes kann der Windwurf in reinen Fichtenplantagen hohe Verluste bringen. Und zu guter Letzt: Die Fichte kommt, natürlich, erst ab 800 m Seehöhe vor. Da sich anscheinend auch noch das globale Wetter ändert und zu befürchten steht, dass die Baumgrenze weiter nach oben wandert, werden auch Bäume, der unteren Regionen sich höher ansiedeln. Sicher nicht in den nächsten 50 Jahren, aber doch langsam Schritt für Schritt.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, das ich etwas gegen die Fichte habe (die kann ja schliesslich für unser werken nichts dafür), darum erzähle ich nun in vom Mythos der Fichte.
Der Anblick einer gewaltigen Bergfichte, sie kann bis zu 60 m hoch werden, lässt uns vielleicht verstehen, dass die Fichte einst als Schutzbaum von unseren Altvorderen verehrt wurde. Die Fichte symbolisiert das schützende weibliche Element, sie war ein Lebens- und Mutterbaum. Wenn sich eine ganze Schar kleiner Fichtenbäumchen nicht weit von der alten Fichte zusammendrängt, dann schaut sie wie eine grosse Glucke aus, die die kleinen Bäumchen unter ihre hängenden Fittiche nehmen will.
Wie auch der Birnbaum, so sollte auch die Fichte dem Menschen Krankheiten abnehmen. Gichtkranke erhofften mit dem Spruch: „Guten Morgen, Frau Fichte, da bring ich dir die Gichte“, Heilung von ihrem Leiden. Neben der Birke ist auch die Fichte als Maibaum bekannt und natürlich an erster Stelle mit der Tanne als Weihnachtsbaum. Mai- und auch der Weihnachtsbaum galten als Schutzbäume, bezw. als Symbol für den Sieg des Lichtes über das Dunkel.
Einst streiften seltsame Käuze durch die Fichtenwälder der südlichen Alpen. Männer, mit Äxten bewaffnet, die sie hauptsächlich dazu benutzten, die alten Fichtenstämme abzuklopfen. Immer wieder hielten sie das Ohr an den Stamm, und dann, in anscheinend genau bemessenem Abstand, lauschten sie auf ein Geräusch. Das ging oft wochenlang so, bis sie den richtigen Baum gefunden hatten. Sie hiessen „Stradivari“, „Amati“ usw. Es waren die berühmten Geigenbauer, die sich ihr Klangholz zum Instrumentenbau suchten. Nur langsam gewachsene Fichten liefern gutes Klangholz für exzellente Geigen. Das Holz unserer Fichten ist leider für solch edle Zecke nicht mehr zu gebrauchen. Es wird als Bauholz, zur Zellulose-, Papier- und Kistenherstellung verwendet.
Nun noch einige Rezepte aus Merlin Zauberküche: Die Fichte ist bekannt für ihre heilende Wirkung bei Husten, Grippe und Erkältung. Als Bad, Salbe oder der schmackhafte Wipferlhonig. Zur Herstellung dieses Honigs sammelt man die jungen Triebe im Mai (interessant der Zusammenhang mit dem Maibaum!). Natürlich nicht von der Krone des Baumes sonst verkrüppelt derselbe. In ein grosses Glas geben, mit Zucker auffüllen und ca. 3 bis 4 Wochen in die Sonne stellen. Danach abseihen und fertig ist der Wipferlhonig. Sie können dann einen Teil mit 70% Alkohol ansetzen und haben zusätzlich noch einen köstlichen Likör.
Liebe Schwestern und Brüder, weil ich erst kurz in Eurem Forum bin, lese ich alle Eure Beiträge mit großem Interesse und großer Freude. Vieles, das ich kenne, vieles, das ich nicht kenne und vieles, das ich seit meiner Kindheit nicht mehr gehört habe. Ich stamme aus einer Gegend, in der die Fichte natürlich vorkommt. Freilich, Wälder rund um meinen Heimatort Trofaiach wurden abgeholzt und Fichten wurden gepflanzt, wie überall. Aber auf den Hügeln und den Vorbergen zu den Bergengipfeln stehen und standen die Fichten schon immer. Immer im Verbund mit Lärchen, Bergahorn und auch Buchen. Es gab in meiner Kindheit einen langgestreckten Höhenrücken der nur mit Buchen bepflanzt war. Man brauchte die Buchen für die Bergwerke. Ich erinnere mich an mächtige Baumriesen. Ein solcher fuhr einmal bei einem Unwetter zu Tal und durchbohrte das Dach des Hauses, in dem meine Urgroßmutter wohnte. Heute steht an der Stelle ein modernes Haus und in dem Wald darüber wachsen nur mehr Fichten... Ein trauriger, trostloser Anblick...
Die Fichten meiner Kindheit, die ich auf den Bergwanderungen antraf, die ich mit meinen Eltern unternahm, waren mächtige Wesen, einzelstehend, verkrüppelt und beästet bis zum Boden, mit langen Flechten-Bärten versehen. Man konnte sich herrlich darunter verstecken und wenn ein Gewitter losbrach wirkten sie unheimlich. Sie tosten und rauschten um die Wette mit Donner und Regen. In meiner kindlichen Fantasie waren diese Bäume aber auch von kleinen Wesen bewohnt und in den Höhlen und Astlöchern glaubte ich die Wohnungen dieser Wesen zu erkennen. Das Harz, das aus den Wunden der Bäume tropfte schmeckten grauenhaft, aber es war ein Mittel, um Husten zu lindern und vielleicht auch vorzubeugen. Heute ist es ein Bestandteil meines persönlichen Räucherwerks.
Im Mai zog meine Mutter mit mir in den Wald und es wurden "Maiwipferl" gepflückt. Wie beschrieben, wurden diese in große Gurkengläser, Schicht für Schicht Zucker und Maiwipferl, gefüllt und in die Sonne gestellt. Das ergab einen leckeren Hustensaft. Der Hinweis, diesen Sirup mit Alkohol zu vermengen und so einen Likör herzustellen, finde ich genial!
Als ich heuer zu Ostern in Trofaiach unterwegs war zog mir plötzlich der Duft von frischgepflückten Maiwipferln in die Nase. Es war wohl nur die Erinnerung, die die Sinne weckt und man vermeint plötzlich längst Vergangenes zu sehen, zu schmecken und zu riechen.
Was heute großteils mit unseren Wäldern passiert, ist ein Skandal. Sie werden degradiert zu Freizeitanlagen, ausgeplündert, in dem man Monokulturen von Fichten pflanzt und den wirklichen Waldbewohnern kaum mehr Raum zum Leben läßt. Früher standen Buchen, Eichen, Ahorn und alle anderen Bäume im Verbund und bildeten einen Wald. Der heutige Mensch denkt großteils nur mehr an Profit...
Aber es gibt sie noch, die alten Fichten-Baumriesen. In den Bergen überdauern sie (hoffentlich) die Zeit...
ja liebe Nora schöne erinnerung durch den Duft des Harzes und der Tannenwipferln :-) auch ich setze solchen Sirup an und mische ihn noch mit Spitzwegerich bättern und Huflattich blüten
Danke für Deine schöne erinnerung LG Sabin
---------------------------------------------------------------------------------------------------- Lebe mit der Natur im Einklang Du wirst hören was dir die Naturgeister erzählen und sie im Sonnenlicht tanzen sehen. Ein wunderbares Gefühl wird in Dir wach. http://kraeuterstube.at
Liebe Sabin, ja, Spitzwegerich und Huflattich, darauf hat auch meine Großmutter alles gehalten bei Husten! Sie bereitete aus diesen beiden Kräutern einen Sirup. Wie, weiß ich nicht mehr. Aber ich kenne ein Rezept für Thymian-Sirup, der wird mit gesponnenem Zucker zubereitet.. Aber die Idee mit den Maiwipferln und den Kräutern gefällt mir! Weißt Du, manchmal glaube ich, dass es nicht wirklich "Vergangenheit" gibt, sondern alles nur in verschiedenen Ebenen vorhanden ist. Je nachdem wo wir sind, an Orten der Kindheit, der Jugend, öffnet sich die Tür und wir befinden uns wieder in jenen Räumen, die wir vergangen meinen. Klar, wenn ich meinen Körper betrachte, der hat sich verändert, auch jener der Menschen um mich. Viele liebe Menschen sind plötzlich sehr alt und gebrechlich. Aber wenn sie sprechen - vorallem von früher, dann beginnt es in den Augen zu leuchten und dann sieht man tief drinnen noch den "alten" jungen Menschen. Es geht mir mit mir auch so. Tief drinnen ist noch das Kind von damals und manchmal weiß ich nicht, ob ich nicht damals schon wußte, was ich heute weiß. Aber wer hätte auf ein Kind gehört? So hat auch das Kind das, was es wußte, nicht ernstgenommen...
Liebe Grüße Nora
PS: Mit meinem Enkel (9 Monate) geht es mir "umgekehrt". Manchmal, wenn ich irgendwas mache, schaut er mich an, prüfend, ernst... wenn ich seinen Blick erwidere lächeln zuerst seine Augen und wenn ich dann auch lächle, lacht er mich an. Oft frage ich mich, wer er wohl ist, wer er WAR? Und was er noch weiß,... bald wird dieses Wissen von vorher ja ausgelöscht sein...