Die Nutzung der Duftstoffe der Pflanzen ist eng mit den Anfängen der Menschheitsgeschichte und der Nutzung des Feuers verbunden, deshalb nutzen wir beim Räuchern das archaische Erbe der Menschheit.
Nach dem Glauben unserer Vorfahren kam alles von der Erdmutter und mußte ihr deshalb wieder zurückgegeben werden. Für die frühen Menschen war die sie umgebende Natur beseelt und sie fühlten sich nicht nur in sie eingebettet, sondern auch noch eng mit den „Ahnen“ verbunden. Diese „Geisteshaltung“ war bestimmend bei allem was sie taten. Daher wurde ein Teil der Pflanzen immer geopfert, d.h. mit der Erdmutter geteilt, und auch die Toten wurden mit Räucherungen in die andere Welt begleitet und erhielten Räucherwerk und Pflanzen als Grabbeigaben. Heute noch werden die Toten mit Kirchenweihrauch „eingesegnet“ und erhalten von den Trauernden Blumen als letzten Gruß ins Grab oder nach dem Begräbnis als Geschenk auf das Grab.
Der ausgeprägte Geruchssinn, die gute Beobachtungsgabe und die Fähigkeit Zusammenhänge intuitiv zu erfassen, erlaubte den frühen Menschen die verschiedene Wirkung der Hölzer (Harze im Holz) und Kräuter auf die Menschen am Lagerfeuer zu erkennen.
Im Lauf der Generationen entwickelten die Menschen das Räuchern zu einer bewußten und eigenständigen Handlung. Räuchern galt als „Botschaft an den Himmel und die Geistwelt“ und konnte, nach dem Glauben dieser frühen Menschen, nur von denen praktiziert werden, die mit der Geistwelt vertraut waren, und das waren die spirituellen Lehrer und Heilkundigen.
Geräuchert wurde bei den verschiedensten Anlässen.
Eine neue Höhle mußte zuerst ausgeräuchert werden, bevor sie in Besitz genommen werden durfte. Auf diese Art wurden die „Geister der Vorbewohner“ (Tiere, aber auch Vormenschen) geehrt und ihnen dafür gedankt, daß sie die Höhle freigegeben hatten. Mit dem anschließenden Einräuchern wurden die „eigenen Schutzgeister und Ahnen“ in die neue Höhle eingeladen und willkommen geheißen.
Auch später, als die Menschen „Behausungen“ bauten, wurde genauso vorgegangen. Zuerst wurde der Platz „gereinigt“ und auf diese Art vorbereitet. Nach Fertigstellung, wurden die eigenen Schutzgeister im neuen „Heim“ willkommen geheißen.
Bei Festen und Zeremonien unterstützten Räucherungen das Einstimmen auf ein Fest oder eine Zeremonie und waren zudem Bitt- oder Dankopfer (Jagdbeute, Errettung aus Gefahren, usw.).
Im Lauf der Zeit wurde das Wissen über die Wirkung von Räucherungen immer mehr erweitert und vertieft und in langen Lehrjahren vom Lehrer an den Schüler weitergegeben.
Von den Medizinfrauen und Medizinmännern oder den Schamanen wurde Räucherwerk später zur Heilung eingesetzt. Dabei ging es immer um Harmonisierung, Reinigung und Stabilisierung von Menschen und Umgebung.
In der Antike war Räuchern ein wichtiger Bestandteil der Kultur der verschiedenen Völkergruppen und „Zivilisationen“.
So wird im >Gilgamesch-Epos< berichtet, daß Zeder und Myrrhe in Ur verbrannt wurden, um mit dem Rauchopfer für die Errettung vor der Sintflut zu danken.
Auch >im alten Ägypten< gehörte Räuchern zum täglichen Leben und es war vorwiegend die Priesterkaste, die Räucherungen vornahm. Dabei ging es nicht nur um Totenkult und Gottesdienst. Es wurden auch Vorratsspeicher ausgeräuchert, um die „bösen Geister“ fernzuhalten. – Heute sagen wir zu den bösen Geistern „Keime und Erreger“.
Auch >im alten Griechenland< war Räuchern ein fester Bestandteil des täglichen Lebens und war aus den Gesundheitszentren als Therapieform nicht wegzudenken!
- Eine Quelle berichtet, daß sich das Wort Thymian vom griechischen Wort „thymon“ ableitet, was so viel wie „ausräuchern“ bedeutete und einer der frühesten Räucherstoff im alten Griechenland war.
Selbst noch im alten Rom hatte jeder Haushalt einen Hausaltar oder zumindest eine Räuchernische, um die Götter oder Vorfahren ehren und gnädig stimmen zu können.
Mit zunehmender Zivilisation und gleichzeitigem Verfall der Kultur, blieb bei den einzelnen antiken Kulturen von der Räucherzeremonie aber nur mehr das Ritual und der Rauch übrig. Benebelnde Rauchschwaden durchzogen jeweils die Tempel und die Orakelsprüche in Delphi waren schließlich nur mehr vom Räuchern bewußtseinsverändernder Drogen bestimmt.
Auch >im Alten Testament< wird über das Räuchern berichtet: Die Rauchopfer von Kain und Abel und daß die Richtung des Rauches zum Brudermord führte. Im Exodus Kap.30 können wir dann genaue und strenge Regeln darüber lesen wie, wann, von wem und was geräuchert werden durfte.
Mit dem >Christentum< wurde schließlich das Räuchern offiziell verboten. Dies hatte möglicherweise seinen Ursprung darin, daß die „ersten“ Christen gezwungen wurden ihrem Gott öffentlich dadurch abzuschwören, daß sie in die Räucherschalen vor den Tempeln der Götter Räucherwerk werfen mußten.
Da die Christianisierung Europas eng mit den Eroberungen der Römer verbunden ist, kam es dazu, daß die Räucherkulturen der eroberten Völker als heidnisch verboten wurden und in der Krankenpflege gänzlich untersagt waren. Geräuchert durfte nur zur Ehre Gottes werden und nur von Priestern. Daß dabei das Verbrennen von Weihrauch in den Kirchen vor allem dem Schutz vor Ansteckung diente ist weniger bekannt. - Wenn es ums eigene Leben geht, war auch in der Kirche immer schon alles erlaubt.
Renaissance (15. – 17. JH.)
In dieser Zeit gab es eine Wiederbelebung der antiken, vor allem der griechischen Kultur. Dazu gehörten auch die alten Weisheitslehren, in denen Räuchern einen festen Platz hatte. Dem Zeitgeist entsprechend lag die Betonung auf dem diesseitigen, materiell-stofflichen Leben. So wurden die alten Weisheitslehren zwar wiederbelebt, aber gleichzeitig entmystifiziert, und teilweise zum Okkulten verzerrt. Trotz Verbot der Kirche wurde in bestimmten Zirkeln geräuchert. „Schwarze Messen“ waren vor allem wegen des Nervenkitzels in der „guten Gesellschaft“ weit verbreitet und rituelle Räucherungen waren fester Bestandteil der Gesellschaftsspiele.
- Auch heute wird („Esoterikboom“) oft wieder das Spektakuläre in den Vordergrund gestellt und verbreitet. Damit wird der Sensationslust vieler Menschen entsprochen und es kann damit auch mehr Geld verdient werden.
In den >Pestzeiten< (Mitte 14.Jh. und 15. – 18. Jh.) schützten sich Ärzte vor Ansteckung durch spezielle Masken in denen Pfeffer, Muskat, Nelken, Ingwer und Zimt glimmten. Und die Kirchenväter hüllten sich in Weihrauchschwaden, um sich zu schützen. Auch den ganz Reichen war das Verbrennen von Weihrauch erlaubt, denn sie konnten sich nicht nur das teure Räucherwerk leisten, sondern konnten sich auch die Erlaubnis zum Räuchern durch Spenden an die Kirchenväter erkaufen.
Bis zur Welle des >New Age<, war Räuchern in der westlichen Zivilisation nur mehr bekannt:
Beim Haltbarmachen von Lebensmitteln.
Der Rauch wirkt stabilisierend, und macht Verderbliches dadurch haltbarer, außerdem gibt er Lebens- und Nahrungsmitteln einen „neuartigen“ Geschmack.
Beim Sitzen um ein Lagerfeuer und bei Grillpartys.
Ich denke, es ist ein Relikt aus grauer Vorzeit, und die archaische Erinnerung an das Lagerfeuer mit Geselligkeit und dem Geruch nach harzreichem Holz, die Grillpartys so beliebt machen und die Lagerfeuerromantik (ist ja heute kaum noch „Notwendigkeit“) entstehen ließ.
Im ländlichen Raum
Beim Ausräuchern von Haus, Hof und Stallungen in den Rauhnächten, aber auch bei Todesfällen. -Auch „1500 Jahre Kirchengeschichte“, konnten diese uralten, heidnischen Bräuche nicht abstellen.
In der Kirche kennen wir das Verbrennen von Weihrauch noch in den Gotteshäusern oder bei Prozessionen. Wir kennen das Räuchern auch von der Jahresräucherung und Segnung der Häuser durch die „Sternsinger“, die an die Hl. 3 Könige erinnern. – In „heidnischer Vorzeit“ galt diese Räucherung dem Ende der Rauchnächte. Von den Priestern werden auch heute noch die Osterräucherungen auf den Feldern durchgeführt. – Auch diese Räucherung ist ein Relikt aus vorchristlicher Zeit zu Ehren der römischen Frühlingsgöttin „Ostara“. In der Kirche kennen wir auch das „räuchernde Einsegnen“ der Toten. – Auch das hat seinen Ursprung im Totenkult unserer Vorfahren.
Wenig bekannt ist, daß der Rauch (weiß oder schwarz) den Ausgang einer Papstwahl anzeigt.
Im >Asiatischen Raum< hat die Räucherkultur eine jahrhundertelange Tradition und hat sich bis heute erhalten. Nach Japan kam das Räuchern von China und wurde dann perfektioniert.
An den Herrscherhöfen soll es vor ca. 600 Jahren eine Art Gesellschaftsspiel gegeben haben, das sich „Duftlauschen“ nannte. Unter Anleitung eines Mönches wurden verschiedene Räucherwerke eingesetzt, die von den Anwesenden auf Grund ihres Duftes erraten werden mußten.
Räucherwerk war vor allem in Japan sehr teuer, denn es mußte alles eingeführt werden. Ein Zen-Priester aus der EDO-Ära soll deshalb im 16.Jh. die 10 Tugenden vom „Duft des Räucherwerks“ verbreitet haben, um den achtsamen Umgang mit Räucherwerk zu erklären:
1. Räucherwerk ermöglicht die Kommunikation mit dem Transzendenten.
2. Räucherwerk reinigt Körper, Seele und Geist.
3. Räucherwerk vertreibt negative Schwingungen aus der Umgebung.
4. Räucherwerk hilft uns achtsam zu bleiben.
5. Räucherwerk ist ein treuer Freund in Zeiten der Einsamkeit.
6. Räucherwerk garantiert uns Momente des Friedens in einer geschäftigen Welt.
7. Auch wenn man häufig und viel räuchert, wird man dessen doch nie müde.
8. Selbst wenn wir nur ganz wenig davon haben, auch eine kleine Menge wird uns zufrieden stellen.
9. Wird Räucherwerk auch lange gelagert, es verliert weder Duft noch Wirkung.
10. Sogar bei täglicher Verwendung von Räucherwerk schadet es nicht.
Ich kann diese „Tugenden“ nur bestätigen und kann aus meiner Erfahrung ergänzen, daß Räuchern dabei unterstützt, wieder achtsam zu werden! Bei täglicher Anwendung schadet Räucherwerk dann nicht, wenn keine bewußtseinsverändernden Drogen benutzt werden.
Im >Bhutan< wird heute noch oft Lemongras in sogenannten Geburtsschalen geräuchert, um die Geburt einzuleiten.
Salbeiräucherungen (hoher Thujon- und Kampfergehalt) sollen in dieser Form angewendet eine ähnliche Wirkung haben und auch zur AB-Förderung eingesetzt werden.
Räuchern ist heute auch noch Allgemeingut der Naturvölker und wird dort, der alten Tradition entsprechend, praktiziert.
Räuchern wird als „heilige“, d.h. ganz machende (heilende) Handlung zelebriert und nicht ritualisiert. Auch mit dem Räucherwerk wird bei Naturvölkern noch sehr sorgsam umgegangen.
Die Tradition des Hausaltares gibt es in unserer Zeit hauptsächlich noch im asiatischen Raum und hat dort noch die gleiche Bedeutung wie anno dazumal in Mitteleuropa. Im Herrgottswinkel mit geweihtem Palmbesen, hat diese Tradition auch bei uns überlebt.
Dina