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Dieses Thema hat 3 Antworten
und wurde 890 mal aufgerufen
 Schamanismus
SEDNA ( Gast )
Beiträge:

26.03.2005 11:27
tod und sterben Antworten

Tod ist nicht gleich Tod

Den Tod habe ich auf viele Arten erlebt.

Und mit meiner spirituellen Entwicklung veränderte sich dieses Erleben.

Mit etwa 12 Jahren begegnete mir der Tod zum ersten Mal, als er meinen Cousin mit sich nahm.

Gerade mal 18 Jahre alt starb er bei einem Autounfall und ich war schockiert und empfand es als ungerecht, einen so jungen Menschen aus dem Leben zu reissen.

Als ich etwa 15 Jahre alt war begegnete mir der Tod zum zweiten Mal.

Diesesmal zeigte er sich auf der Autobahn- als ich mit einigen jungen Leuten auf dem Weg in die Disko war.

Plötzlich lagen Taschen und Kleidungsstücke auf der Fahrbahn, Warnblinkanlagen leuchteten auf und tauchten das ganze Szenario in ein unwirkliches, oranges Licht.

Dann fuhren wir im Schritt- Tempo an einem LKW vorbei, ein Mann mit kreidebleichem Gesicht stieg gerade aus, und unter dem Reifen seines Anhängers sah ich das, was von einem Menschen übrig geblieben war.

Wie in Zeitlupe betrachte ich diese Menschenreste und alles blinkte in orange, ich hörte nichts mehr und sah nur noch diesen Menschen.

Damals begann ich über den Tod nachzudenken, aber ich wußte noch keine Antworten auf meine Fragen. Außerdem hatte ich von diesem Moment an panische Angst vor Autobahnen und vor LKW`s, diese Angst ist nur dann unter Kontrolle wenn ichs elber fahre, sobald ich bei jemandem mitfahren muss, ist es extrem.

Später beschäftigte ich mich mit dem Holocaust. Ich hatte Alpträume von KZ`s und ich wollte wissen, wie ich davon träumen konnte,wenn ich es doch nie erlebt hatte.

Ich träumte von Uniformen, die ich nicht kannte. Ich träumte von braunen Dreiecken auf meiner Sträflingskleidung, ich träumte davon, daß mein Kopf in Eiswasser getaucht wurde, so lange, bis ich ertrank.

Die Träume waren so intensiv, daß ich hinterher jedes Detail beschreiben konnte.

Später habe ich von einer Zigeunerin, die 3 KZ`s überlebt hat, erfahren, daß die braunen Dreiecke für ZIGEUNER standen- so wie die gelben Sterne für die Juden, und rosa Abzeichen für Homosexuelle.

Ich wollte wissen, wie sich der Tod im KZ anfühlt, also bin ich in das Konzentrationslager Mauthausen gefahren.

Ich kam auf den Hügel und sah zum ersten Mal diese Mauern mit dem Stacheldraht und ich fühlte ANGST und BEKLEMMUNG.

Ich schaute mir die Baracken an und fühlte- NICHTS.

Ich ging weiter durch die Räume und durch das Museum im Keller und war TRAURIG.

Ich ging weiter und kam in den Raum, in dem Menschen erschossen und aufgehängt wurden.

Mir wurde schlecht und ich begann zu heulen.

Als ich dann in den Raum kam, in dem die Leichen aufgestapelt wurden für die Verbrennungs- Öfen, da begann plötzlich alles in mir zu flüchten und ich fühlte mich, als würde man ein Video im Schnelldurchlauf vor- oder zurück spulen. Ich begann blind zu rennen und jemand packte mich an meiner Jacke und schob mich zum Ausgang.

Dort setzte ich mich erstmal heulend auf eine Wiese und ich konnte dann nicht mehr rein gehen.

Ich dachte, daß diese Gefühle vom TOD kämen.

Aber das war nicht der Tod, den ich dort gespürt habe.

Es war die ANGST die ich dort gefühlt habe.

Den Tod habe ich erst viel später kennengelernt. Und der Tod ist etwas, wovor man keine Angst haben muss.

Mein Freund Augiak- ein Inuit- Schamane, und dessen Frau Nijanani, eine Ojibwe- Cree- Indianerin, erzählten mir, wie Eskimos mit dem Tod umgehen:

"….Bei uns wissen die alten Leute wann sie sterben, viele setzen sich ins Eis und warten auf den Tod. Viele junge Menschen beschließen zu gehen, weil sie keine Zukunft mehr sehen. Sie erhängen sich und die Verwandten sehen dabei zu und würden nichts dagegen unternehmen, sie respektieren den Wunsch jedes Menschen, zu sterben".

Nijananis eigene Großmutter holte alle Verwandten zusammen, die extra weit her reisten, um sich zu verabschieden. Großmutter ging schlafen, und alle Verwandten warteten auf ihren Tod.

Am nächsten Morgen stand die Großmutter mit ihrem weißem Nachthemd in der Tür und sagte grinsend:"Es hat nicht geklappt".
Also nochmal Verabschiedung, wieder legte sie sich am Abend schlafen, wieder warteten alle auf ihren Tod.
Insgesamt dreimal lief das so, bis sie wirklich starb. Immer wieder stand sie zuvor mit ihrem weißen Nachthemd grinsend Morgens in der Tür und fluchte, weil sie nicht sterben konnte.

Erst beim dritten Anlauf klappte es schließlich und sie starb.

Stirbt ein Inuit-Schamane, so gibt er seine Kraft kurz vor seinem Tod weiter an jemanden, den er für Würdig hält.

So kam es, daß Nijanani als ihr Großvater- der Schamane Jupie Nituak- starb, sie zu sich rief.

Nijanani trat an sein Sterbebett und sie hatte Angst davor, die ganze Kraft übertragen zu bekommen. Deshalb bat sie ihren Großvater, ihr nur die halbe Kraft zu geben. Und so geschah es. Er übergab ihr die halbe Kraft. Und so ist sie heute keine „ganze“ Schamanin, sondern sie gibt nur das Wissen weiter, in Form von Kunst.

Als mein eigener Großvater vor etwa zwei Jahren starb, hatte ich mich nun doch schon einige Jahre mit dem Thema Wiedergeburt beschäftigt, und war schon einige Jahre schamanisch tätig.

Als der Anruf kam, daß mein Opa gestorben ist, hatte ich plötzlich nur noch einen Gedanken im Kopf: „Hoffentlich ist das Fenster offen und eine Kerze angezündet worden, damit seine Seele fliegen kann!“

Also ging ich durch den Ort zu meinem Elternhaus, in dem Opa in seinem Bett liegen würde- tot.

Natürlich war ich traurig. Und natürlich weinte ich. Und natürlich hat es mir weh getan.

Als ich dann Omas Stube betrat, und sie so völlig aufgelöst sah, und alle heulend auf mich einstürzten, wurde es noch schlimmer. Ich fragte, ob ich rein darf ins Schlafzimmer, wo Opa lag. Ich durfte.

Und es war das erste Mal, daß ich einen Toten aus nächster Nähe sehen konnte- und vor allem WOLLTE!

Opa lag in seinem Bett, gut zugedeckt, das Fenster war geöffnet, und eine Kerze brannte.

Seine Hände lagen unter der Decke, und sein Gesicht sah so friedlich aus, daß ich mir nicht vorstellen konnte, daß der Tod etwas schlimmes wäre.

Ich schaute ihn an und verabschiedete mich still von ihm, und war plötzlich beruhigt, weil ich sah, daß er friedlich schlummerte.

Als ich dann später zum Friedhof ging um Blumen in die Leichenhalle zu bringen, und im Dorfgasthaus die Zehrung zu bestellen, kam ich an Opas zukünftigem Grab vorbei, das der Totengräber gerade ausschaufelte.

Und ich muss ehrlich sagen, daß dieses Erlebnis für mich das schrecklichste an der ganzen Sache war: Zusehen, wie dieses dunkle Loch in die kalte Februarerde gegraben wurde.

Da bin ich erstmal heulend davongelaufen.

Zwei Tage später fand das Begräbnis statt, in früheren Zeiten wurde eine Leiche von zu Hause bis zum Friedhof getragen, und man nannte diesen Gang im Volksmund „Rindfleisch- Marathon“, weil es hinterher bei der Zehrung meist Rindfleisch gab und die Leute deshalb wohl immer hofften, daß es nicht mehr lange dauerte, bis das Begräbnis- Ritual zu Ende war.

Die Zehrung ist auch meistens eine recht lustige Angelegenheit, sodaß sich sicherlich so mancher Verstorbene schon wieder ärgerte darüber, daß er nicht nochmal zurück konnte.

Während des Begräbnisses, als ich am Friedhof zusah, wie der Sarg in den Boden gelassen wurde, bekam ich dann einen „Beinahe- Herzinfarkt“, denn es wurde „Böller“ geschossen.

Ein alpenländischer Brauch.

In dem Moment rechnete ich aber wirklich nicht damit und war ganz in Gedanken versunken, deshalb erschrak ich beinahe zu Tode und lästerte ein wenig, daß ihnen eine Leiche wohl nicht genug sei.

Böller wird heute bei uns nur noch dann geschossen, wenn es sich um einen Kriegs- Rückkehrer handelt, oder wenn man in "Böhlerwerk" gearbeitet hat (das ist ein Ort in der Nähe mit gleichnamiger Fabrik) . Mein Großvater war vier Jahre lang in russischer Gefangenschaft in Sewastopol, deshalb wurde für ihn geschossen.

Am Dritten Tag nach seinem Tod, wollte ich dann endgültig wissen, wo Opa nun ist, und ich begab mich auf Schamanenreise.

Ich betrat die Geistwelt und bat mein Krafttier darum, mich zu meinem Großvater zu bringen.

Es führt mich auf eine große Wiese, durch dessen Mitte ein Bach floß. Ich sah meinen Großvater auf dieser Wiese stehen, mit seinem Hut und seinem Rucksack, und er trug einen langen Wanderstab in seiner Hand. Ich ging zu ihm und verabschiedete mich von ihm. Er sagte, daß er jetzt weiter gehen müsse, und ich solle zurück gehen.

Ich aber wollte wissen, wohin er ging, und wollte ihm folgen, also ging ich ein paar Schritte, aber ich knallte gegen eine durchsichtige Wand. Zudem zog mich mein Tier mit den Zähnen zurück. Also sah ich nur zu, wie einige Leute meinen Großvater am anderen Ufer des Baches abholten, und sah ihn dann davongehen.

Es war ein schönes Bild, diese Wiese und der Bach und im Hintergrund ein Waldrand.

Die Leute verschwanden im Wald und ich kehrte zurück.

Wenige Tage später ging ich die Wege, die mein Großvater ins einem Leben sehr oft als Holzknecht ging. Ich betrat das Tal, in dem er gearbeitet hatte, und dabei entstand mein Gedicht, das ich darüber geschrieben habe:

opa

traurig aufgewacht
den inneren schweinehund besiegt
zuerst zum friedhof
und dann mit dir
in mir
schwitzend
laufend
heulend
erschöpft
hoch oben
auf einem berg
in absoluter stille
auf einer wiese liegen
und den schmetterling beobachten
seine blauen punkte
auf den flügeln
und die krähen
deinen namen krächzen hören
und spüren
was du gespürt hast
und sehen
was du gesehen hast
und hören
was du gehört hast
und plötzlich
einen inneren frieden
hochsteigen fühlen
und von glück überschwemmt werden
strahlen
und ein paar gelbe blumen pflücken
für einen lieben menschen
der gerade in traurigkeit erwacht
und noch nicht weiss
daß er seinen inneren schweinehund
besiegen muss


sedna


als sich erkenntnis in meinem bewusstsein ausbreitete,
wuchsen fische und meeressäuger aus meinen abgeschnittenen fingern, ich wurde zu nahrung, wurde SIE, die für ihre gemeinschaft sorgt, nicht länger opfer.
(aus der legende von sedna)

Sandreen ( Gast )
Beiträge:

26.03.2005 21:50
#2 RE:tod und sterben Antworten

Dank dir dafür!!!

*ganzFestDrück*
Sandreen
http://www.gartenhexe.at

otterchen ( Gast )
Beiträge:

14.05.2005 18:48
#3 RE:tod und sterben Antworten

liebe sedna !

danke für deinen sehr persönlichen beitrag.

mir fällt zu diesem thema ein zitat von richard bach ein:
"der tod trennt uns nicht mehr voneinander als das leben, doch das einzig bleibende ist die liebe"

viel wind unter deinen flügeln

s´otterchen
--------------------------------------------------
Du kannst mir keine Angst machen, ich habe Kinder !

SEDNA ( Gast )
Beiträge:

15.05.2005 17:01
#4 RE:tod und sterben Antworten

liebes otterchen,
danke für dein zitat, das berührt mich sehr.
es stimmt. die liebe bleibt über den tod hinaus.

sogar über viele tode hinaus, so wie ich es gerade jetzt erleben darf. irgednwann trifft man sich wieder, und erkennt sich allein am gefühl der liebe, ohne daß man sich in diesem leben jemals zuvor gesehen hat.

namaste,

sedna

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