Die Esche „....Eine Esche weiss ich, sie heisst Yggdrasil, die hohe, benetzt mit hellem Nass: von dort kommt der Tau, der in Täler fällt; immergrün steht sie am Urdbrunnen....“ Aus: „Der Seherin Gedicht“, Edda
Aus diesem Gedicht ist erkennbar, wie wichtig und wertvoll die Esche für unsere Vorväter war. Doch nicht nur in der germanischen Mythologie, sondern überall wo sie vorkam nahm sie eine wichtige Stellung in der jeweiligen Schöpfungsgeschichte ein. Doch wir wollen noch bei den botanischen und historischen Fakten verweilen. Die Esche (Fraxinus excelsior) ist der Baum der krautreichen Au-, Schlucht- und Laubmischwälder und wird häufig in Gesellschaft von Bergahorn und Ulme angetroffen. Zusammen mit Schwarzerle und verschiedenen Weidenarten säumt sie meist die Bäche im Tiefland und gibt so mancher Landschaft ihr typisches Gepräge. Eschen wurden nie wie Linden oder Ulmen domestiziert und als Haus- und Gutsbaum aus dem Wald in die Dorfmitte oder den Hof geholt. Im Gegenteil: Weil ihr Wurzelwerk dem Mauerwerk schaden kann, soll man sie nicht in die Nähe von Gebäuden pflanzen. Als Faustregel gilt: mindestens so gross wie die Krone weitet sich auch das Wurzelwerk aus. Die Esche kann eine Höhe von 40 Metern erreichen und hat eine Lebenserwartung von 200 Jahren. Bereits mit 80 Jahren erreicht sie ihr Hiebsalter, früher als alle anderen Möbelhölzer.
Der wissenschaftliche Namen „Fraxinus“ leitet sich vom griechischen „phrasso“ (umzäunen) ab. Junge Stöcke sollen gute Zaunpfähle liefern. Unsere deutsche Esche kommt vom altnordischen „ask-r“ und dem angelsächsischen „äse“ und benennt nicht nur den Baum, sondern dem aus seinem Holz gefertigten Speer. Auch das Griechische „melia“ bedeutet Speer und Esche gleichzeitig. Hier zeigt sich auch das hauptsächliche Verwendungsgebiet der Esche. Seit der Antike ist es als Waffenholz vor allem für Speere und Bögen begehrt. Bereits Homer erwähnt in seiner epischen Dichtung „Ilias“ Eschenspeere. Laut Vergil soll Äneas, der nach dem Fall Trojas in Latium an Land ging, als erstes mit seinen Gefährten Eschenholz gesucht haben, um Lanzen, Bögen und Pfeile zu schneiden. Der berühmteste Eschenspeer wurde von der Hand des Kentauren Chiron angefertigt, mit dem Achilles dem trojanischen Helden Hektor den Garaus machte. Er schnitzte ihn aus einer heiligen Esche des sagenumwobenen Berges Pelion. Sogar die Pfeile des römischen Liebesgottes Amor sollen aus Eschenholz bestanden sein:
Doch nicht nur Waffen, sondern auch Tisch- und Küchengeschirr, sowie, dank des elastischen Holzes, Reifen, Leitern und belastbares Werkzeug und nicht zuletzt Tennisschläger und Skis wurden lange Zeit aus Esche gefertigt. Hochwertige Turngeräte und Werkzeugstiele sind noch heute aus Esche.
Auch im medizinischen Bereich hat die Esche ihren Standort. Ihre Blätter wurden anstelle von Hopfen dem Haferbier beigemischt. Blätter und Früchte gegen Rheuma und Gicht. Als sogenannter „Holztee“, ein Aufguss geraspelter Späne, als blutreinigend angewendet. Dieser Tee half auch gegen die „französische Krankheit“ (Syphilis). Eschenasche und Eschenrindenstreifen halfen gegen verstauchte und gebrochene Knochen. Zuguter Letzt wurde mit Eschenblättern auch der echte Tee gefälscht, worüber sich Mr. Twining 1770 in England masslos beschwerte.
Die Esche in der Mythologie.
„Ich weiss, dass ich hing an einem im Winde schwankenden Baum, neun ganze Nächte lang, mit dem Ger verwundet. Geweiht dem Odin, ich selbst mir selbst.......
Yggdrasil, die Weltesche der germanischen Mythologie ist der Weltenbaum, der die drei Welten, Asgard, Jotunheim und Niflheim verbindet. Doch nicht nur in der germanischen Mythologie sondern auch in vielen anderen nimmt die Esche eine wichtige Stellung ein. Der griechische Dichter Hesiod erzählt wie Zeus das 3. „eherne“ Menschengeschlecht aus Eschen schuf. Die Wikinger gaben sich selbst den Namen „Aschemanen“. Im keltischen Baumalphabet hiess die Esche „Nion“, Baum und Laut. Sie galt als Symbol für die Macht des Wassers. Die Druiden gebrauchten das Holz für ihre Wetterzauber und auch ihr Zauberstab stammte aus dem selbigen. Ja, sogar die Indianer vom Stamme der Algonkin führen ihre Herkunft darauf zurück, das ihr Erschaffer einen Pfeil in eine Esche schoss, woraufhin Mann und Frau entsprangen.
Doch zurück zur Weltesche Yggdrasil. Göttervater Odin wurde durch sie zum Runenleser und Zaubermeister. Er vollzog an sich selbst den Weiheakt, als er, verletzt durch einen Zweig des Baumes, neun Nächte lang in der Weltesche hing. „Ich nahm herauf die Runen, laut schreiend, dann file ich herab vom Baume. Da begann ich zu gedeihen und weise zu sein, und zu wachsen und mich wohl zu befinden; Wort mit vom Worte das Wort suchte, Werk von mir Werke das Werk“. Hier ergeben sich auch Parallelen zu anderen schamanistischen Einweihungsritualen. Der skaldische Beiname Odins war Galgagramir, der Galgenherr. Interessanterweise übersetzten Goten und Angelsachsen das christliche Kreuz in ihrer Sprache mit Galgen – eine höchst förderliche Massnahme für die christliche Missionierung, wie man sich denken kann.
Bis zum nächsten Mal, wo Merlin über die Eibe erzählt.
Das Leben findet einen Weg